Hannah
Arendt - Staatstheorie
„Denken
ohne Geländer“
Hannah Arendt
wurde 1906 geboren und starb 1975. Sie war durch ihr Verständnis von
Politik ihrer Zeit voraus, die die politischen Angelegenheiten
romantisierte. Sie kommt aus einer jüdisch assimilierten Familie und
musste in der Schule den Antisemitismus der Lehrer ertragen, wogegen
sie aber den starken Rückhalt ihrer Mutter hatte. Hannah Arendt
wurde ihr eigenens „jüdisch Sein“ erst durch die Anfeindungen
der Nazis bewusst. Um ihnen zu entgehen floh sie in die USA, wo sie
sich ihre Existenz als Professorin aus dem Nichts aufbauen musste.
Ein berühmtes Buch von ihr ist „Elemente und Ursprünge des
Totalitarismus“.
Die Hauptintention
der Philosophie von Hannah Arendt ist, die Menschen in ihren
Unterschieden und ihrem Anders-Sein zu verstehen. Ihr Ziel war die
Gestaltung einer gemeinsamen Welt durch Austausch.
Hannah Arendt
verfasste weitere Bücher, unter anderem „Eichmann in Jerusalem“.
Sie stellt darin fest, dass das Nicht-Nachdenken über etwas
gravierende Folgen haben kann. Dies nennt sie die Banalität des
Bösen. Hannah Arendt erklärt außerdem, dass die Medien das
Verständnis von Gerechtigkeit erschweren. Gerechtigkeit erfordert
Zurückhaltung und Freiheit ist gefährlich und schwierig. Das
„banale Böse“ entsteht durch das Nicht-Nachdenken des Menschen.
Dies kann nicht absehbare Folgen haben, weil so das Böse
selbstverständlich wird.
Das
Demokratie-Verständnis
Hannah Arendt will
Menschen mit ihren Unterschieden und ihrer Andersartigkeit verstehen.
Sie möchte eine gemeinsame Welt erreichen, in der sich Menschen
austauschen und sich in einander einfühlen können, wenn es
Meinungsverschiedenheiten gibt. Der Mensch soll frei sein, jedoch
bedeutet Freiheit auch den Zwang zur Selbstverantwortung. Eine
existentialistische Welt ist durch Freiheit, die Pflicht selbst
wählen zu müssen und die Tatsache, dass das Leben nicht von Gott
vorgegeben ist, gekennzeichnet. Die Voraussetzung für Frieden ist
(nach Arendt) die Demokratie. Es muss immer unterschiedliche
Meinungen und den Austausch zwischen diesen geben. Der Mensch muss
über ein Urteilsvermögen verfügen und andere Menschen verstehen
können, um an der Politik teilnehmen zu können.
Der
Eichmann-Prozess
Hannah Arendt
wollte die Beweggründe Eichmanns nachvollziehen, um zu verstehen,
warum ein Mensch so handelt, wie er es getan hat. Letzten Endes
befürwortete sich seine Hinrichtung, weil Eichmann sich seiner
Verantwortung entzog und die Tode der Opfer in Kauf nahm. Außerdem
wurde Arendt, vor dem historischen Kontext des Nationalsozialismus,
von den Nazis verfolgt und könnte dies als eine Art „Rache“
gesehen haben. Dennoch wurde die Meinung Arendts heftig umstritten,
da ihr viele Juden vorwarfen, dass sie, als Vertreterin des
Judentums, Eichmann verteidigte. Dieser begründete sein Verhalten
damit, dass er lediglich Befehle ausgeführt habe und nicht über die
Konsequenzen oder die Handlungsanweisungen nachgedacht bzw. nicht in
Frage gestellt habe. Daraus zog Arendt auch Schlussfolgerungen für
die SS (Schutzstaffel) der Nazis. In dieser Instanz gab es Wenige,
die wirklich Verantwortung im Konzept trugen. Die restlichen
Beteiligten waren eher „Schreibtischtäter“.
Der Mensch wird
zum gesellschaftlichen Wesen
In ihren
Ausführungen beschäftigt sich Arendt mit der Staatenbildung im
alten Griechenland/Rom und den Veränderungen der Neuzeit.
Als im alten
Griechenland Stadt-Staaten und der öffentliche Bereich entstanden,
wurde die Macht und der Besitz des Privaten, der Familie und des
Haushalts zurückgedrängt. Der „häusliche Herd“ war jedoch
heilig, denn der Mensch braucht eine eigene Stätte, um am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Die Sphäre des
Haushalts umfasst das Zusammenleben von Menschen und die Befriedigung
der menschlichen Bedürfnisse und Lebensnotwendigkeiten. Der Mann
arbeitet dabei und sorgt so für Nahrung und die Frau sichert durch
das gebären die Fortpflanzung und das Weiterbestehen der Familie.
Die Sphäre des Haushalts stellt also den Drang und Trieb des Lebens
dar und ist gleichzeitig eine menschliche Notwendigkeit.
Diese Sphäre ist
die Grundlage für den Raum der Polis (Politik), jedoch sind beide
Bereiche streng getrennt.
Der Raum der Polis
oder das Reich der Freiheit wird durch die Beherrschung der
Lebensnotwendigkeiten des Haushalts bedingt. Die Politik ist jedoch
nicht notwendig für das Wohlergehen der Gesellschaft.
In der Neuzeit
verschwindet allerdings die, vorher klare, Kluft zwischen Haushalt
und Politik. Während sie im Mittelalter noch irgendwie vorhanden
war, wird der Unterschied mit der Zeit immer kleiner. Dafür entsteht
der Raum des Gesellschaftlichen. Dazu kommt es, weil das innere des
Haushalts an die Öffentlichkeit trat und sich die Begriffe so
veränderten. Das Leben reduziert auf das eigene Haus wird nicht mehr
als „idiotisch“ bezeichnet und ist auch nicht gleichbedeutend mit
der Nicht-Beteiligung am politischen Leben. Der Mensch kann im
eigenen Haushalt kein Leben des Rückzugs aus der Gesellschaft
führen. Stattdessen wird der Haushalt zu einer Sphäre der
Intimität.
In der Antike war
das Private nur privat. Hatte ein Mensch keinen Zugang zum
öffentlichen Leben, wurde er kaum als Mensch wahrgenommen. Die
private Seite des Lebens raubte dem Menschen die die höchsten
Möglichkeiten und Fähigkeiten.
In der Neuzeit gab
es dann eine Bereicherung der Privatsphäre, die sich von
Gesellschaft und Politik abhebt, was die Antike noch nicht kannte.
Aus dieser
Veränderung resultiert die „Herrschaft des Niemand“. Dies
beschreibt die hypothetische Einheitlichkeit des ökonomischen
Gesellschaftsinteresses einer despotischen (totalitären) Herrschaft,
die nicht an eine Person gebunden ist (Bürokratie). Diese am
wenigsten Nicht-Herrschaft kann jedoch grausam und tyrannisch werden.
Die Folge davon
ist, dass sich Menschen nur noch verhalten und nicht mehr handeln.
Die Gesellschaft schließt das Handeln aus und ersetzt es durch das
Sich-Verhalten. Es gibt Erwartungen von bestimmtem Verhalten für
alle. Durch Regeln wird vorgeschrieben, wie sich der Einzelne
gesellschaftlich zu normieren hat. Der Einzelne wird also
gesellschaftlich gemacht und soll nicht mehr spontan handeln oder
hervorragende Leistungen bringen.
Die
Massengesellschaft zeigt diese Macht des Gesellschaftlichen. Dadurch,
dass alle Mitglieder einer Gesellschaft erfasst werden, gibt es
Kontrolle. Die Massengesellschaft zeigt den Sieg der Gesellschaft,
weil es in einem bestimmten Stadium keine Gruppen mehr gibt, die sich
außerhalb der Gesellschaft befinden. Der Sieg der Gleichheit
bedeutet die juristische und politische Anerkennung der Tatsache,
dass die Gesellschaft die Öffentlichkeit erobert hat. Die Folge
davon ist, dass alle Auszeichnungen und Besonderheiten zur
Privatangelegenheit des Einzelindividuums werden.
Der
gesellschaftliche Konformismus verwandelt die handelnden Menschen in
sich-verhaltende Gruppen. Die Nationalökonomie beschäftigt sich mit
dem Entstehen von Gesellschaft und benutzt zu diesem Zweck die
Stochastik. Diese setzt wiederum die Berechenbarkeit von menschlichem
Verhalten und Angelegenheiten selbstverständlich voraus.
Der Verlust
politischer Initiative durch das Aufkommen der Massengesellschaft
Für Hannah Arendt
beschreibt das Wort „Handeln“ einen kreativen, angeborenen und
kommunikativen Akt des freien Einzelnen, der so einen gestalterischen
Beitrag zum Gemeinwesen und dessen Gelingen beiträgt.
Konformismus ist
ein Merkmal aller Gesellschaften, was jedoch nicht erkannt wurde und
deswegen zu Rebellionen (Rousseau / Romantik) für das Intime geführt
hat. Dies geschah jedoch, bevor das „Prinzip der Gleichheit“ die
sozialen und politischen Instanzen einnehmen könnte und womit
Konformismus eigentlich begründet wurde.
In einer Nation
ist es jedoch nicht relevant, ob diese aus Gleichen oder Ungleichen
besteht, da die Gesellschaft von allen ihren Mitgliedern verlangt,
dass sie sich wie Familienmitglieder verhalten. Das bedeutet, dass
sie nur ein einziges gemeinsames Interesse und eine Ansicht
vertreten.
In der Neuzeit
verfällt die Familie jedoch immer mehr. Vorher wurde die
einheitliche Meinung und das Interesse durch das Familienoberhaupt
repräsentiert. Diese Herrschaft verhinderte außerdem
Meinungsverschiedenheiten und Interessenskonflikte der Familie.
Der Aufstieg des
Gesellschaftlichen fand allerdings gleichzeitig mit dem Verfall der
Familie statt. Dies lässt sich damit erklären, dass die Familie von
den gesellschaftlichen Gruppen absorbiert wurde, die ihr sozial
entsprachen und ein ähnliches Lebensniveau hatten.
Allerdings
bedeutet die Gleichheit zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft
nicht die Ebenbürtigkeit (Sich-unter-seinesgleichen-Befinden) der
Politik. Die Gleichheit innerhalb einer Familie findet unter der
autoritären Macht es Familienoberhaupts statt. Die Herrschaft wird
also ausgeführt durch einen Einzelnen, der das gemeinsame Interesse
(die gemeinsame Meinung) repräsentiert. Eine Gesellschaft braucht
dies jedoch nicht, weil dort die natürliche Kraft von
Familieninteressen addiert und so verstärkt wird. Deswegen ist keine
Herrschaft des Einzelnen nötig und stattdessen gibt es eine
„Stoßkraft des Interesses“.
Der Konformismus
beschreibt letzten Endes nur die völlige Einstimmigkeit in voller
Freiwilligkeit, die das letzte Stadium dieser Entwicklung darstellt.
Zusammenfassung
Handeln
Das nach eigenen
Vorstellungen (frei) und (für die Gesellschaft) verantwortliche
Handeln
Sich-Verhalten
Das Sich Richten
nach gesellschaftlichen Normen
→ durch:
Die Gesellschaft
fordert von ihren Mitgliedern vorgegebene Verhaltensweisen. Wer als
freies Individuum handeln und existieren will, wird von der
Gesellschaft ausgeschlossen.
Definition des
Niemand
Normal bedeutet
durch die Kultur und Gesellschaft genormt zu sein. Anormal/Asozial zu
sein beschreibt wiederum ein Individuum, das den gesellschaftlichen
Normen nicht entspricht und so eine Ausnahme darstellt.
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